Mitte 2011 wurde bekannt, dass die bayerische Staatsregierung eine der letzten bei ihr verbliebenen Leistungen in der Psychiatrie, die Finanzierung von „Kursen und Freizeitmaßnahmen” für die ambulante Sozialpsychiatrie einstellen will.
Finanzieren sollten die für Psychiatrie zuständigen Bezirke, die dem aber durchaus nicht zugestimmt hatten. Es musste befürchtet werde (wie es dann auch kam), dass diese Finanzierung ganz abgeschafft wird. Obwohl diese Gruppen sich seit 1982 (!!) bewährt hatten. (Bekanntmachung des Bayer. Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung vom 18. Oktober 1982 Nr. IV 5/7544.1 – 4/82 unter Anpassung an den Euro durch AMS Nr. IV 5/0210/1/01 und allgemeines Haushaltsrecht.)
Wir hätten es für sinnvoll gehalten, wenn die Bayerische Staatsregierung den Bezirken eine Pauschale zur Finanzierung der „Kurse“ zur Verfügung gestellt hätte, und die Regelungen hinsichtlich der Teilnehmerzahl und der Abrechnungsmodalitäten an die Bedürfnisse der Praxis angepasst worden wären.
Eine Arbeitsgruppe von EREPRO verfasste einen Aufruf für mehr Gruppen in der Psychiatrie, der an die sieben Bezirkstagspräsidenten verschickt wude, um die Wichtigkeit der Weiterfinanzierung dieser „Kurse“ zu betonen. Auf der Internetseite von EREPRO wurden weitere Argumente für Gruppen in der Psychiatrie veröffentlicht, damit blieb der eigentliche Aufruf kurz und lesbar.
Zur Information und mit der Bitte um Unterstützung wurde der Aufruf auch an Sozialpsychiatische Dienste, Suchtberatungsstellen, Tagesstätten in Bayerrn und einige interessierte Personen verschickt. Es gab eine vorbereitete Liste zur Unterschriftensammlung, sowie eine Liste mit den Adressen der Bayerischen Bezirke, an die die Unterschriften zur Unterstützung des Aufrufs geschickt werden sollten.
Die angeschriebenen Bezirkstagspräsidenten haben nicht alle geantwortet. Von den Bezirkstagspräsidenten von Mittel- und Unterfranken liegen nur Lesebestätigungen für die Mail vor. Herrn Reichert, Bezirkstagspräsident von Schwaben, der EREPRO von anderen Aktionen kennt, hat als letzter auf den Aufruf geantwortet, nachdem er bereits zwei weitere Schreiben von EREPRO aus Anlass der Übersendung von Unterschriften von Unterstützern erhalten hatte. Unter Hinweis auf die Rahmenleistungsbeschreibung des Verbandes Bayerischer Bezirke lehnte er eine Finanzierung von Gruppen im Sinne unseres Aufrufes ab. In der Antwort von EREPRO auf dieses Schreiben wird der dringende Gruppenbedarf für weniger kooperative Zielgruppen in der Sozialpsychiatrie noch einmal hervorgehoben: chronisch psychisch kranke Menschen und im Alter psychisch Erkrankte und betont, dass diese Menschen gerne niederschwellige, “normale” soziale Bezugsgruppen besuchen, in denen sie Bekannte treffen und sich weniger als “Patient” erleben. Dieses typisch sozialpsychiatrische Angebot mit Laien als Kontaktpersonen kann nach den Streichungen der Gelder nicht mehr finanziert werden.
Herr Reichert antwortete in dem nebenstehenden Schreiben mit dem Hinweis auf ein neues EX-IN Projekt des Bezirkes Schwaben.
Und wir halten es durchaus für möglich, dass diese psychiatrieerfahrenen Mitarbeiter, die bezahlt werden, als Kontaktpersonen in Kontakt- und Hobbyguppen eingesetzt werden können und werden über den Fortgang des Projektes berichten.
Aus der Oberpfalz erreichte uns diese Antwort auf unseren Aufruf zur Finanzierung von Gruppen in der Psychiatrie – gefolgt von der Antwort von EREPRO. Aus Oberfranken antwortete ein Mitarbeiters des Bezirkstagspräsidenten. (Antwort von EREPRO). Hier können Sie das Schreiben des Bezirkstagspräsidenten von Oberbayern lesen und wie EREPRO reagiert hat.
Aus Niederbayern kam die interessanteste Reaktion. Zunächst – sehr bald nach unserem Aufruf – kam eine Bitte um Klärung von einem Mitarbeiter des Bezirkstagspräsidenten (Herrn Eichmüller), die von EREPRO umgehend beantwortet wurde: Antwort von EREPRO. Daraufhin traf ein Schreiben des Bezirkstagspräsidenten von Niederbayern, Herrn Hölzle, ein, der auch Präsident des Verbandes Bayerischer Bezirke ist. (Antwort von EREPRO an Herrn Hölzle).
Unterschriften wurden von den SPDis, PSBs und Tagesstätten direkt an die jeweiligen Bezirkstagspräsidenten geschickt. Bei EREPRO kamen ca. 100 Unterschriften von Unterstützern an, die an die jeweiligen Bezirke weiter geleitet wurden.
Die LAG Freie Wohlfahrtspflege Bayern hat sich in dieser Sache sehr engagiert. Nach der differenzierten Darstellung der Situation aus einem Schreiben vom 8.4.2011, stellen wir hier zwei Schreiben vom September 2011 vor, die zeigen, dass die LAGFW Bayern sehr kritisch Stellung nimmt zu den Streichungen, die sie als “politischen Skandal” bezeichnet und deren Rücknahme sie fordert:
1. LAGFW Bayern an Mitglieder des sozialpolitischen und des gesundheitspolitischen Ausschusses.
2. LAGFW Bayern an Ministerium f. Umwelt und Gesundheit
Den Vizepräsidenten des Bayerischen Landtages, Franz Maget, haben wir am 8.2.2012 um seinen Rat gebeten. Am 13.2.2012 schrieb er zurück:
“Ich sehe das ehrlich gesagt als sehr schwierig an. Es ist nach dem Ausstieg des STMAS wie immer eine Frage der Zuständigkeit, jeder zeigt auf den anderen und so ziehen sich dann alle aus der Verantwortung. Im Rahmen des Nachtragshaushaltes wird es fast unmöglich sein noch etwas zu erreichen, weil die Haushaltspläne schon fertig sind und bereits in den Ausschüssen zur Schlußabstimmung vorliegen. Da ist seit dem 18.10.2011 ( also der Bekanntgabe ) ganz einfach zu viel Zeit versäumt worden…
Zuständig sind natürlich die Bezirke. Das ist fachlich richtig.
Ich werde das ganze mal an “meine” Bezirksrätin Ruth Waldmann weiterleiten, die sich mal umhören kann was man gegebenenfalls noch tun kann.”
Schließlich hat EREPRO doch beschlossen, nichts unversucht zu lassen (trotz des “fast unmöglich” von Maget) und auch noch Landtagsabgeordnete am 20.2.2012 mit diesem Schreiben anzusprechen und zwar die Landtagspräsidentin Frau Barbara Stamm, die Vizepräsidenten des Bayerischen Landtages und die Mitglieder von drei Ausschüssen, des Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen, des Ausschusses für Soziales, Familie und Arbeit, der bisher zuständig war, und des Ausschusses für Umwelt und Gesundheit, auf den die Zuständigkeit übertragen wurde.
Am 29.2.2012 antwortete die Vizepräsidentin des Bayerischen Landtages Claudia Stahl (Bündnis 90/die Grünen) und legte ihrer Mail zwei Dokumente bei:
1. Einen Antrag der Faktion der Grünen vom 29.9.2011: “Versorgung psychisch kranker und psychisch behinderter Menschen sichern!”
2. Dazu einen Änderungsantrag vom 18.2.2012.
EREPRO schrieb zurück am 14.3.2012.
Der Änderungsantrag der Grünen wurde am 27.3.2012 im Bayerischen Landtag abgelehnt (ohne Begründung): Abstimmungsergebnis: CSU und FDP Ablehnung, Freie Wähler, Grüne, SPD Zustimmung.
Ganz lapidar klingt das endgültige Aus für die “Kurse” im Allgemeinen Ministerialblatt vom 27.4.2012 (https://www.verkuendung-bayern.de/files/allmbl/2012/04/allmbl-2012-04.pdf):
Aufhebung der Bekanntmachung über die Förderung von Freizeitmaßnahmen und Kursen
für psychisch Kranke und psychisch Behinderte Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen
vom 23. März 2012 Az.: IV 5/2443.01-1/9
1. Die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung über die Förderung von Freizeitmaßnahmen und Kursen für psychisch Kranke und psychisch Behinderte vom 18. Oktober 1982 (AMBl S. 229) wird aufgehoben.
2. Diese Bekanntmachung tritt mit Wirkung vom 1. Januar
2012 in Kraft.
Zwick
Ministerialdirigent
Nach der Ressortumstellung fördert das Staatsministerium für Arbeit und Soziales über das Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) zukünftig nur noch den Ausbau der Laienhilfe und der Selbsthilfe (für vom Medizinischen Dienst begutachtete Teilnehmer) mit einem Etat von 450,0 Tsd. Euro. Im Haushalt des StMUG wurde bisher kein neuer Haushaltstitel zur Kompensation der Kürzungen eingestellt.
Sie können sich auf dieser Homepage im Blog von Erepro zu diesem Thema äußern, unter “einen Kommentar schreiben”.