Ich habe mich für einen Ehrenamtspreis des Bezirkes Schwaben vorgestellt. Sollte sich mein Traum erfüllen, und ich den Preis von 5000 € erhielte, würde ich das Geld für meine neue „Arbeit“ verwenden.
Ich würde einmal im Monat auf der geschlossenen Station eine „Kuchentag“ finanzieren für die ca. 30 Patienten, und auch für alle Körperpflegeartikel einkaufen. Das Geld dafür kann ich nämlich nicht aufbringen, weil ich selbst kein Geld verdiene.
2011 und 2012 war es mir möglich, durch Geld- und Sachspenden die Patienten mit Obst, Süßigkeiten und Pflegeartikel zu beschenken.
Ein Spender hatte zwei Mal 100 Euro in meinen Briefkasten gegeben, eine Dame gab 50 € und von zwei Damen bekam ich 30 Tafeln Schokolade und noch anderes Naschwerk.
Diese Spenden bekam ich durch einen Artikel von mir, der von der Augsburger Allgemeinen Zeitung gedruckt wurde. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass sehr wenige Besucher auf die geschlossene Stationen kommen, und habe die Einsamkeit der Patienten hervorgehoben und – dass man sie mit einer Tafel Schokolade erfreuen könnte.
Dass ich Spenden erhalte, habe ich nicht erwartet, aber ich war hoch erfreut, dass es Menschen gibt, die an Andere denken.
Das Geld, mit dem ich sehr vorsichtig umging, habe ich so eingeteilt, dass ich für 30 Patienten das Weihnachtsfest 2011 versüßt habe, sowie das folgende Osterfest und im Sommer habe ich Getränke – wie Limo – auf die Station gebracht.
Zu Betteln ist nicht meine Art, aber Hinweise, dass es kranke Menschen gibt, die lange in der Psychiatrischen Klinik geschlossen untergebracht sind, und kaum oder gar nicht besucht werden, erlaube ich mir zu schreiben.
Viele Besucher wissen gar nicht , wie sehr manche Patienten gerne mal was Süßes essen würden, aber das steht nicht auf dem Speiseplan. Ganz neu höre ich, dass es zu wenig zum Essen gibt und die Patienten Hunger haben. Wird tatsächlich auch noch mit dem Essen gespart? Muss mich weiter umhören, ob das der Fall ist.
Auch die Verwahrlosung der Patienten ist auffallend. Aber den Patienten, der sich nicht pflegt, zu einem Bad zu bewegen mit sanftem Zwang ist ja – wie mir erklärt wurde -KÖRPERVERLETZUNG.
Der Patient, der ehrlich wochenlang nicht mit Wasser und Seife Kontakt hatte, ist nun zumindest einmal gewaschen. Mal abwarten, wie lange es diesmal dauert bis zur nächsten Körperreinigung. Eine Rasur und ein Haarschnitt wären auch sehr nötig. Auf Nagelpflege wird total verzichtet. Es liegen Einwegscheren bei den Pflegern vor, aber die Patienten fragen doch sicher nur selten einen Besucher, ob er ihnen die Hand- oder Fußnägel schneidet. Das Ganze gehört zur Krankenpflege. Das sind total hilflose Patienten, die einfach nicht gut versorgt sind.
Das Ganze würde ich gerne dem Klinikdirektor sagen, aber bei ihm kann ich sicher keinen Termin erwarten. So schreibe ich alles auf, was ich sehe und erlebe, auch was mir Patienten erzählen. Das Pflegepersonal, wiegt sich in einer gewissen Sicherheit, denn die Patienten sind verwirrt. Aber, wenn ich stets von vielen Kranken dieselbe Aussage hören darf, muss ich ihnen glauben. Und ich kann gut unterscheiden, wer verwirrt ist, und wer die Wahrheit erzählt.
Bin immer noch nur auf der einen geschlossenen Station als Besucher, und zur Zeit auch auf einer offenen Station.
Da besuche ich eine Frau, die vor kurzem von der geschlossenen auf die offenen Station verlegt wurde. Diese Patientin war schon im Sommer 2012 auf der Geschlossenen in Behandlung, dann auf der Offenen.
Leider hat sie nach der Entlassung aus der Klinik erneut zur Behandlung auf der Geschlossenen aufgenommen werden müssen. Sie war schwer depressiv, und anfangs lag sie nur im Bett, wenn ich zu Besuch kam. Sie wollte sich das Leben nehmen. Warum? Ihre Antwort: “Es hat keinen Sinn, ich bin so krank und werde nie wieder gesund.”
Ich erklärte ihr, dass jedes Leben einen Sinn hat, auch das Ihre, sie sei eine sehr gute und liebenswürdige Frau, die ich sehr gerne hab, und sie soll doch an ihren Sohn denken, der will doch seine Mutter behalten.
Auch ich kann nicht in die Seele der Patientin schauen, aber oft sind es die guten Worte oder eine Umarmung, die dem Mutlosen gut tun.
Diese Frau vertraut mir so, dass sie mir Dinge erzählt, die weder die behandelnden Ärzte noch der Oberarzt erfahren, So teile ich die Sorgen der Patienten, die oft sehr groß sind, und ich mache ihnen Mut. Ich sage oft: „ Ich war so krank, wie Du es jetzt bist, und bin so geworden, wie ich es jetzt bin. Kein Mensch sieht mir an, dass ich so krank war, dass ich versucht habe, mir das Leben zu nehmen. Heute bin ich dankbar leben zu dürfen.“
Ich versuche dieser Frau den Sozialpsychiatrischen Dienst (SPDi) zu empfehlen. Sie bräuchte eine Stütze, sie lebt alleine, hat keine Freunde, und sagte mir gestern am Telefon, ich sei die Einzige, der sie vertraut. Sie ist nicht viel älter als ich, so um die sechzig. Inzwischen hat sie das Schlimmste hinter sich. Solange sie in der Klinik ist, begleite ich sie, aber was ist nach der Entlassung? Vielleicht gelingt es mir, Frau M. zu überreden, Hilfe von dem SPDi anzunehmen.
Man braucht Geduld und man sollte die Medikamente einnehmen, wenn sie verordnet werden. Aber leider werden in der Psychiatrischen Klinik in Augsburg auf den geschlossenen Stationen nur Psychopharmaka eingesetzt. Ich denke, das allein reicht nicht. Wie soll ein Mensch gesund bzw. stabil werden, wenn er durch keinerlei Therapie unterstützt wird?
Eines ist ganz klar, auf den geschlossenen Stationen der Psychiatrischen Klinik in Augsburg gibt es keine Therapie. Eine Beschäftigungstherapie für Patienten, denen es besser geht, fehlt!
Was vor 30 Jahren in der Klinik in Günzburg möglich war, eine Beschäftigungstherapie auf Station – ist in der „modernen Psychiatrie“ nicht möglich?
Im Allgemeinen sehe ich, dass viele, vielleicht auch zu viele Medikamente verabreicht werden. Manche Patienten laufen wie Roboter, und Andere wissen gar nicht, wo sie sind.
Besucher sind selten, und so ist die Zeit besonders schwer zu ertragen. Es sollte doch erlaubt sein, dass man zu Besuch kommen kann, so wie ich es nun darf, aber es war sehr schwer, die Erlaubnis zu bekommen.
Immer wieder sehe ich , wie wenige Besucher kommen. Die Kranken warten oft vergeblich und irgendwann warten sie nicht mehr.
Deshalb komme ich zu Besuch und ich werde schon an der Türe erwartet, obwohl ich keine Verwandte bin. Die Patienten dürfen mich mit „Du“ ansprechen, und nennen mich Angelika oder auch KURELLA. Beides erlaubt. Meist setze ich mich in den Speiseraum, und einige Patienten setzen sich zu mir.
Ich erzähle von „DRAUSSEN“ ganz locker, und einfach auch von meinem schwarzen Kater, einige Patienten fragen sogar: „Wie geht’s deinem Kater Gugulu?“ Ich versuche die Menschen abzulenken, und es gelingt mir sogar sie zum Lachen zu bringen.
Wenn ich gehe, werde ich umarmt, und die Patienten bedanken sich für meinen Besuch.
So viel Anstand finde ich oft außerhalb der Klinik nicht.
Man muss die Kranken spüren lassen, dass man Respekt vor ihnen hat. Nur Mitleid oder der Satz: “Das wird schon wieder“, reicht nicht.
Wenn eine Patientin mir sagt, dass sie gerne 8 Biere trinken möchte, erkläre ich mit ernster Miene, dass sie das doch bitte nicht tun solle, die Medikamente und Alkohol seien ein giftiges Gemisch.
Wenn aber dieselbe Patientin sagt, sie hätte so gerne eine Tafel Schokolade, sage ich, gut, ich bring Dir bei meinem nächsten Besuch eine Tafel mit.
Habe auch schon Unterwäsche, Socken und andere Bekleidungsstücke mitgebracht. Auch Zahncreme und Zahnbürsten, Duschbad usw. sind oft in meiner Tasche, und dafür verlange ich nur ein Dankeschön oder ein Vergelt’s Gott.