Seit März vergangenen Jahres betreiben einige Mitglieder unseres Vereines zusammen mit mir einen solchen Besuchsdienst im ( … ) Bezirkskrankenhaus; eine ehrenamtliche Tätigkeit, die wir als die eigentliche, als die Kernaufgabe eines Selbsthilfevereins betrachten.
Aus unseren bisher gemachten Erfahrungen und Erlebnissen dort kann ich nur rundheraus bestätigen, daß dieser Dienst dringlich notwendig und sinnvoll vor allem für Patienten der dortigen geschlossenen Intensivstationen C1/C2 ist – Patienten, die häufig keinerlei Zuwendung oder Unterstützung von “außen” erhalten,
Patienten, die sich den rigiden Bedingungen des Aufenthalts dort mehrheitlich als nahezu rechtlos ausgeliefert empfinden, Patienten, die die zuteil werdende Behandlung oft als eher Mißhandlung empfinden, wie zu ertragen gezwungen sich erleben.
Patienten, die der einfühlenden Anteilnahme in ihrer Not bedürfen, und sich nur allzu häufig Vorgehensweisen des dort tätigen Personals ausgesetzt sehen, die dem – von denselben Mitarbeitern auf Nachfrage stets vollmundig verkündeten – Anspruch auf Fürsorge und Zuwendung nach unserer Einschätzung in vielen Fällen Hohn sprechen.
Unmittelbarer körperlicher Zwang oder auch ‘nur’ die Bedrohung dadurch sind ständig gegenwärtig.
Sich davon die Entstehung einer wechselseitigen Vertrauensbasis zu erwarten kann nur denjenigen vorschweben, die all diese geschilderten Umstände routiniert nicht zur Kenntnis zu nehmen gewohnt sind: Diejenigen, die die Schlüssel dieser Stationen bei sich tragen.
Diejenigen, die unsere Bitte im Trialoggespräch im Januar 2012, diesen Besuchsdienst durchführen zu wollen, zu unserer großen Überraschung spontan wohlwollend aufgenommen hatten.
Diejenigen, die inzwischen allerdings, anläßlich simpler von uns vorgebrachter organisatorischer Anfragen – andere wagen wir Feiglinge bisher eh nicht zu stellen – stets und nur Negativ-Kritik an ihrem unhinterfragbaren ärztlichen Wohlhandeln erkennen wollen, die unsereinen bei solchen Gelegenheiten gerne kurz angebunden abzubürsten pflegen.
Die uns vorwerfen, den Stationsfrieden zu stören, “alles” durcheinanderzubringen, uns – unerhört! – in die Behandlung der Patienten einzumischen.
Was wir bislang, und wohl auch noch für einige Zeit – Feiglinge, die wir eben sind – nicht gewagt haben, nicht wagen werden:
Uns hinzustellen, seis auf der Station, seis im Gemeindepsychiatrischen Verbund, sonstwo, um “denen” ins ignorant-arrogante Angesicht klar zu sagen:
“Dort, auf euren C-Stationen, ist für Patienten nicht gut sein.”
Weil wir befürchten müssen, dann umstandslos wieder rauszufliegen.
Diesen ‘Gefallen’ möchten wir “denen” nicht tun, zumindest solange nicht, wie wir, jede/r Einzelne von uns, diesen permanenten Zwiespalt ertragen können, den uns die dortigen Zustände immer wieder verursachen:
Den Zweifel im Hauptsächlichen, ob wir uns durch Wohlverhalten und öffentliches Beschweigen der vorgefundenen Zustände nicht ein ganzes Stück weit zu gewissermaßen Komplizen derer herabwürdigen,denen ‘Compliance’, einerseits, ein ebenso allzeit wohlgeläufiges Leerwort, wie, andererseits, in souveräner Selbstverständlichkeit nicht praktiziertes Handeln ist.
Oder als lediglich Einbahnstraßenregelung mit deutlichstem Hierarchiegefälle vorkommt – vorgeschriebene Fahrtrichtung: Von oben nach unten.
Da bleiben wir lieber feige, um wenigstens,wenn es auch oft nur für kurze Zeit möglich ist, denjenigen unsere Hand reichen zu können, diejenigen in unsere Arme zu schließen, die dessen bedürfen, und es selbst haben mögen. Derer haben wir dort nicht wenige gefunden.Da bleiben wir also gerne – in Anbetracht der Kernaufgabe von unsereinem – eben lieber feige.
Umstandslos hinauszufliegen:
Das gönnen wir viel lieber denen, die da drin vorwiegend Verwahrung anstelle angemessener Behandlung erfahren. Wir sind erstmal drin,und wir wollen weiterhin: Rein.
Absurd, scheints – aber so erscheint das Leben halt manchmal.
Günter Brand
für die SAP e.V.
Liebe Leser der Post an EREPRO,
ich finde in den Beiträgen hier wird sehr deutlich, dass es für das Personal der geschlossenen Stationen auch nicht einfach ist, mit dem “Besuchsdienst” von Psychiatrieerfahrenen zurecht zu kommen. Man hat es mit selbstbewußten Persönlichkeiten zu tun, die – wie man sieht – mit wenig wohlwollender Einstellung auf ihre Art darstellen und interpretieren, was sie auf den Stationen wahrnehmen und erleben.
Ich kann die Leser nur darauf hinweisen, dass sie dran denken, dass es sich um subjektiv geprägte Darstellungen handelt.
Eins aber muss ich bestätigen, dass die Patienten auf geschlossenen Stationen in der Regel sehr erfreut sind über diesen Besuch.
Therapeutisch gesehen ist der Kontakt auch sinnvoll, denn die psychisch Kranken werden mehr als sonst kommunikativ gefordert und dadurch aktiver. So finden sie etwas leichter wieder zu sich selbst.