Liebe KollegInnen,
schon seit vielen Jahren gibt es verfassungsrechtlich ein großes Problem in der Psychiatrie (Betreuungsrecht): Die Bescheinigungen der selbst zwangsbehandelnden ÄrztInnen führen zu gerichtlich angeordneten Zwangsmaßnahmen für PatientInnen. Tatsächlich handelt es sich hier aber nicht um eine unabhängige Begutachtungen bzw. Aussagen, was bei Zwangsmaßnahmen und/oder freiheitsentziehenden Maßnahmen was aber höchst problematisch ist und oftmals rechtswidrig ist. Rolf Marschner (RA München, mein juristischer Berater für die Seite www.schweigepflicht-online.de) kritisiert das schon seit vielen Jahren immer wieder.
Nun hat der BGH die Problematik aufgegriffen und klarifiziert – was eigentlich immer schon klar war, aber in der Praxis oft nicht beachtet wurde.
Im Beschluß heißt es:
“Danach soll in Verfahren zur Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder bei deren Anordnung der zwangsbehandelnde Arzt nicht zum Sachverständigen bestellt werden. Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen – etwa bei besonderer Eilbedürftigkeit kann das Gericht hiervon abweichen und im Einzelfall auch den behandelnden Arzt zum Gutachter bestellen.”
(Beschluß v. 8.07.15: Seite 5)
Im vorliegenden Fall wurde aber nicht dargelegt, warum von dieser Regelung abgewichen wurde bzw. werden mußte.
Auf meiner Seite gibt es einen ausführlichen Beitrag dazu – auch mit dem Link zum Beschluß des BGH:
Liebe Grüße
Jürgen Thorwart
Urteil des Bundesgerichtshofs, Az.: XII ZB 600/14
Zum Nachlesen in der Ärzte Zeitung, 18.08.2015
Zwangsbehandlung: Attest reicht nicht.
http://www.aerztezeitung.de/extras/druckansicht/?sid=892046&pid=901579
http://www.aerztezeitung.de/extras/druckansicht/?sid=892046&pid=901579
EREPRO hat das Fehlen dieser Regelung schon am 16.6.2013 kritisiert in dem Aufsatz:
„Das Fehlen von Freiheit ist ein Schmerz, der auf Dauer verrückt macht.“(Sansal) Zur Diskussion um das geänderte Betreuungsrecht.
„Das Fehlen von Freiheit ist ein Schmerz, der auf Dauer verrückt macht.“(Sansal) Zur Diskussion um das geänderte Betreuungsrecht.
Darin heißt es: …
Wer bestimmt nun als Gutachter für das Betreuungsgericht, ob diese (Zwangs-)Behandlung wirklich notwendig ist? Kann der behandelnde Psychiater begutachten, oder nur ein unabhängigerFachmann? Vielleicht sogar besser zwei, die in der Einschätzung des Patienten übereinstimmen müssen? Welche Qualifikation des Gutachters garantiert seine Kompetenz als Sachverständiger in dieser wichtigen Angelegenheit? Der Gesetzgeber hat sich entschieden, die Ausbildung als Psychiater als ausreichend zu betrachten, und zunächst für 6 Wochen den behandelnden Psychiater als Gutacher zuzulassen. Erst bei Verlängerung der Zwangsmaßnahme wird ein außenstehender Gutachter gefordert. Hier ist Skepsis angebracht.