Psychiatrieerfahrene schließen sich gerne mit Gleichgesinnten zusammen. Diese Tendenz sollte die Psychiatrie aufgreifen und aktiv Gruppen gründen und zur Verfügung stellen. Gebraucht werden Hobby-, Trainings- und störungsspezifische Selbsthilfegruppen. Menschen mit psychischen Problemen haben durch regelmäßig und über lange Zeit bestehende Gruppentreffen Gelegenheit, Freunde und Bekannte fürs Leben zu finden. Die Gruppen sollten an Einrichtungen angebunden bleiben, ihre Kontinuität bleibt dadurch gewahrt, und sie können so über Kontaktpersonen (Laien) durch das Fachpersonal begleitet werden. Gruppen in Sozialpsychiatrischen Einrichtungen sind ein exzellentes Instrument tertiärer Prävention.
Das sieht auch Thun-Hohenstein so. Der Psychiater stellt im Juni 2011 fest, dass Gruppen in der Psychiatrie sehr vernachlässigt werden. Die Gruppe als solche mit gleichwertigen Beziehungen sei der „Therapeut“. Die festgeschriebene Patientenrolle kann hier einem anderen, verantwortungsbewussten Krankheitsverständnis weichen. Techniken sozialer Kompetenz werden vermittelt durch Vorbildwirkung, Identifizierung und gegenseitige Anleitung.
Leider führen Gruppen für psychisch Kranke in der ambulanten und teilstationären Psychiatrie ein Schattendasein. Die „Psychiatrischen Grundsätze“ der Bayerischen Staatsregierung beklagen, das „Ziel wirksamer Rückfallvermeidung (sei) bislang nicht zufriedenstellend erreicht“ wegen „Mängeln im Versorgungssystem“. Jetzt besteht Gelegenheit Abhilfe zu schaffen, indem ein flächendeckendes Angebot von Gruppen in der ambulanten Psychiatrie angestrebt wird. Auch die „Rahmenleistungsbeschreibung der Sozialpsychiatrischen Dienste“ des Verbandes Bayerischer Bezirke sieht Selbsthilfegruppen als Leistungsempfänger vor.
„Kurse für Psychisch Kranke“, „Integrationskurse“ werden ab 2012 nicht mehr von der Bayerischen Staatsregierung finanziert. Es wäre wünschenswert, dass – trotz anders lautender Nachrichten – die Bayerischen Bezirke im Anschluss die Finanzierung von Gruppen (Kursen) übernehmen. Diese Situation nehmen wir zum Anlass für mehr Gruppenarbeit in der Sozialpsychiatrie aufzurufen.
Die Regelungen für „Selbsthilfegruppen für Menschen mit Behinderung oder chronischer Krankheit“ der Staatsregierung können keinen Ersatz bieten. Sie sind für Sozialpsychiatrie mit chronisch psychisch Kranken in der vorliegenden Form nicht geeignet, denn erfahrungsgemäß wollen die Teilnehmer sich in einem kleineren Kreis treffen, anonym bleiben und scheuen eine Vertretungsberechtigung mit Bankverbindung sehr.
Eine sinnvolle Neuregelung der Finanzierung von (Selbsthilfe-)Gruppen mit oder ohne Anbindung an psychiatrische Einrichtungen wird das Fachpersonal in die Lage versetzen, aktiv aus ihrem Klienten-Stamm homogene Gruppen zusammenzustellen und Kontaktpersonen einzusetzen. Deren zeitlicher Aufwand sowie der der Organisatoren sollte vergütet und Fahrt- und Sachkosten erstattet werden; die Richtlinien nicht so viele bürokratische Einschränkungen enthalten wie bisher: Die Zahl der Gruppenmitglieder (in störungsspezifischen Gruppen idealerweise 5-6 Personen) kann nicht zwingend vorgegeben sein, denn eine Gruppe muss auch mit wenigen Mitgliedern Durststrecken überstehen können. Diese Gruppen entbinden von einer 1:1 Nachsorge, schaffen Kapazität in der Sozialpsychiatrie für neue Klienten und sparen somit Kosten.
Weitere Argumente für Gruppen in der Psychiatrie finden Sie unter www.erepro.de
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Arbeitsgruppe Finanzierung „Kurse für Psychisch Kranke“ 2011, verantw. Christel Kruse c/o EREPRO gemeinnützige GmbH.
Genaueres über die praktische Durchführung von Gruppenarbeit in einer sozialpsychiatrischen Einrichtung
in: hilfeBlätter von EREPRO Nr. 12. Bestellung: Erepro, Frundsbergstr. 16, 80634 München oder E-Mail erepro@gmx.net.
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