EREPRO setzt sich seit langem für die Abschaffung des Paragraphen 63 Strafgesetzbuch ein:
Lesen Sie zum Beispiel auf dieser Homepage: Stationärer Maßregelvollzug: anders ist besser!
Psychiatrische Gutachten – unter dubiosen Umständen. Es hat uns sehr gefreut, erstmals von einer Initiative zur Abschaffung des § 63 zu erfahren.
Am 15. September 2015 hat sich das “Kartell gegen § 63” gegründet.
Zur Erinnerung zunächst – der Text des Paragrafen, dann folgt die Gründungserklärung. (http://userpage.fu-berlin.de/narrwd/kartell.htm)
§ 63 STGB
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Gründungserklärung
- RA Sven-U. Burkhardt
Dortmund - RA Dr. Udo Kauss
Freiburg
- Prof. Wolf-Dieter Narr
Berlin
- RA Alexander Paetow
Berlin
- RA Thomas Saschenbrecker
Ettlingen - RA Dr. David Schneider-Addae-Mensah
Karlsruhe - RAin Gabriele Steck-Bromme
Frankfurt am Main
- RA Dr. Gerhard Strate
Hamburg - RA Dr. Eckart Wähner
Berlin
Alle, die sich in dem Kartell zusammengeschlossen haben, sind sich in Folgendem einig:
Wir sind entschlossen, uns aktiv für die Abschaffung des § 63 StGB einzusetzen, weil er Unrecht ist. Am 24. November 1933 als Teil einer „als ob“ Version von Recht geschaffen ist die Willkür einer Diagnose von krankhafter Schuldunfähigkeit bei gleichzeitiger Gefährlichkeit offenkundig geworden, angefangen von Diagnosen als Todesurteilen von 1939-1948 über das Rosenhan Experiment, die von Armin Nack, dem Präsidenten des 5. BGH Strafgerichtshof als Richter hochgelobten Gutachten des Laiendarstellers Gert Postel, den gegensätzlichen Begutachtungsergebnissen von Frank Schmökel und Anders Behring Breivik, bis hin zu den aktuellen Skandalen um Gustl Mollath, Ilona Haslbauer, Ulvi Kulac.
Zwei Merkmale des Vollzugs des § 63 in der forensischen Psychiatrie:
• Willkürliche und regelmäßig längere Freiheitsberaubung als bei einem vergleichbaren Delikt im Regelvollzug
• Erzwungene Körperverletzung durch psychiatrische Zwangsbehandlung.
Der UN-Sonderberichterstatter über Folter und grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, Juan Méndez, hat bereits seit 2013 einen „absolut Ban“ jeder Zwangsbehandlung legitimierenden Gesetzgebung gefordert. Staatlicher Zwang zu erduldender Körperverletzung per Gesetz steht vor der Todesstrafe als schärfste Sanktion des Strafrechts.
Allen am Kartell Beteiligten ist bewusst, dass der § 63 bisher in der deutschen Rechtsdogmatik den Menschenrechten zuwider für ein ehernes Gesetz gehalten und vom BVerfG für verfassungskonform erachtet wird. Wir orientieren uns an der Behindertenrechtskonvention (BRK) und dem absoluten Folterverbot. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte hat stattdessen klargestellt, dass der § 63 mit der BRK als völkerrechtlichem Vertrag unvereinbar ist.1 Wir erinnern daran, dass Artikel 1 (2) GG die BRD auf die Einhaltung der BRK verpflichtet.
Das Folterverbot ist der tiefere Grund dafür, dass das BVerfG die Anwendung des § 81 StPO am 9.10.2001 für unzulässig erklärt hat. Alle am Kartell Beteiligten verfolgen deswegen in einem ersten Schritt das Ziel, dass der ähnliche § 126 a StPO vom BVerfG für unvereinbar mit dem GG erklärt wird.
Damit würde es jedem Beschuldigten möglich, eine Untersuchung auf Schuldunfähigkeit erfolgreich zu verweigern. Die Sichtweise, dass einem Beschuldigten in aller Regel dazu geraten werden sollte, diese Untersuchung zu verweigern, wird unseres Erachtens in der strafverteidigenden Anwaltschaft breite Unterstützung finden und sich dann auch in der Bevölkerung herumsprechen. Damit würde der § 63 so unterhöhlt, dass auch der Gesetzgeber nur noch die einzig richtige Konsequenz ziehen kann:
Die Abschaffung des § 63 StGB
Um zu dokumentieren, dass wir mit den Organisationen der Betroffenen übereinstimmen, werden die Veröffentlichungen des Kartells von dem Bundesverband und der Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener gemeinsam herausgegeben. Sie werden von deren Forensik-Beauftragten presserechtlich verantwortet.
Weitere Personen können dem Kartell beitreten, solange von keinem der Gründungsmitglieder ein Veto dagegen eingelegt wird.
[Beitrittswunsch bitte per E-Mail gleichzeitig an beide Herausgeber senden.]
Wittener Str. 87, 44789 Bochum
www.bpe-online.de
kontakt-info [ät] bpe-online.de
in Zusammenarbeit mit
Bundesarbeitsgemeinschaft
Psychiatrie-Erfahrener e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
www.die-bpe.de
die-bpe [ät] gmx.de
Verantwortlich im Sinne des TDG sind die Forensik-Beauftragte Franziska Ludwig und der kommissarische Forensikbeauftragte Matthias Seibt
47. Innerhalb des Strafrechts erfordert die Anerkennung der Geschäftsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen die Aufhebung der Verteidigungsmöglichkeit, unter Berufung auf das Vorliegen einer psychischen oder geistigen Behinderung die strafrechtliche Zurechnungsfähigkeit zu verneinen.* Stattdessen sollten behinderungsneutrale Grundsätze angewandt werden, die sich auf das subjektive Element der Straftat richten und die Lage des einzelnen Angeklagten berücksichtigen. Gemäß Artikel 13 des Behindertenübereinkommens könnten sowohl in der Vorverfahrensphase als auch während der Hauptverhandlung verfahrensbezogene Vorkehrungen erforderlich sein; dafür müssen entsprechende Normen beschlossen werden.
*Häufig als „Plädoyer auf Unzurechnungsfähigkeit“ bezeichnet.